Geschichte der Neuhäuser
Der Bau der Häuser hinter dem Neugraben ist eng mit der Entstehung des Neugrabens verbunden. Der Neugraben entstand in den Jahren 1576-1577. Er führt von Neumühl bei Übigau bis Grabo bei Jessen, wo er in die Schwarze Elster mündet. Damals wurde der Kanal noch als der „neue Graben“ bezeichnet. Er sollte die Schloßgräben der damaligen Lochau (heute Schloß Annaburg) mit dem Wasser der Schwarzen Elster speisen und auch gleichzeitig das Umland entwässern.
Dort, wo unser Neugraben jetzt fließt, entstanden vermutlich die ersten Häuser der Fronarbeiter, die den Neugraben ausschachteten. Sie bildeten den Anfang der Neuhäusersiedlung. Geht man davon aus, daß die Neugrabenentstehung als Geburtsstunde der Neuhäuser gilt, ist unser Wohngebiet jetzt 438 Jahre alt. Aber außer dem Gemeindesiegel mit der Jahreszahl 1800, welches in alten Unterlagen gefunden wurde, gibt es keine geschichtlichen Belege zur Entstehung der Neuhäuser.
Das älteste dieser Häuser, was von seiner Bauweise noch erhalten ist, ist das Haus der verstorbenen Familie Nichtitz am Neugraben. Es wurde vom jetzigen Eigentümer Karl Müller wieder schön hergerichtet.
Die frühere und letzte Bürgermeisterei war in der Niederen Straße, wo jetzt die Familie Hoyer ihren Grundbesitz hat. Gegenüber dem Amt, wo sich jetzt die Gärten befinden, war der Gemeindeplatz, wo sich das dörfliche Leben der damaligen Zeit abspielte.
Am 1. April 1895 übertrug der letzte Bürgermeister der selbständigen Gemeinde Neuhäuser bei Annaburg Herr Amtsmann Deisler sein Amt und alle mündigen und unmündigen 485 Bürger der Stadt Annaburg.
Nach 1895 fand die flächenmäßige Erweiterung der Neuhäuser statt. Es entstanden die Häuser am Planweg, sowie rechts und links der Holzdorferstraße und teilweise die Häuser der Niederen und der Hohen Straße.
Eine Betrachtung des Handwerks unter Zuhilfenahme der Annaburgere Kirchenbücher führt zu der Feststellung, dass es in den Neuhäusern zur damaligen Zeit mehr Gewerke und Handwerksmeister gegeben hat, als heute. So waren dort in den Jahren 1794 bis 1896 tätig: zwei Gastwirte, drei Leinewebermeister, ein Schneidermeister, ein Pfefferkuchler, ein Schönfärbemeister sowie ein Zimmergeselle, vier Maurergesellen, ein Mühlen-Beschneider, zwei Handarbeiter und 18 nicht näher bezeichnete Personen, die im Stadtregister der evangelischen Kirche von Annaburg erfasst sind. Kirchlich gehörten die Neuhäuser zu Annaburg, waren aber ansonsten bis 1895 selbständig.
Die Gemeinde hatte schon damals einen eigenen Friedhof, den jetzigen Waldfriedhof. Dem gegenüber lag der Friedhof der Namenlosen. Hier fanden ohne weltlichen oder kirchlichen Beistand reisendes Volk, Bettler und andere Namenlose ihre letzte Ruhe. Das war damals so üblich. Der ehemalige Zöglingsfriedhof entstand auf dem rechten Pechberg an der Holzdorfer Straße und wurde von 1763 bis zum Jahre 1949 genutzt. Hier wurden 779 Angehörige und Zöglinge des Militärknaben-Erziehungsinstitutes, die hier ihren eigenen Friedhof hatten, zur letzten Ruhe gebettet.
Das erste gemeinsame Kinderfest Annaburgs fand in den Neuhäusern im Jahre 1837 unter der Leitung des Begründers und Kantors (Lehrer) Daniel Große auf dem linken Pechberg statt, der heute nicht mehr vorhanden ist. Dieser Pechberg lag auf der linken Seite an der Holzdorfer Straße.
Gegenüber der jetzigen Gaststätte „Dietze“ befand sich die Rohrsche Musikschule, die von Max Rohr 1923 gegründet wurde. 1928 erfuhr sie eine bauliche Erweiterung, so dass internatsmäßig bis zu 30 Musikschüler jährlich ausgebildet werden konnten. Die Schüler trugen zu ihrem Lebensunterhalt und ihrer Ausbildung bei, indem sie bei Tanzveranstaltungen, Konzerten und Familienfeiern aufspielten. Bei den Annaburgern war das sonntägliche Platzkonzert von einer Stunde auf dem Markt sehr beliebt. 1946 übernahm der Sohn Hans die Leitung der Musikschule. Sie bestand bis zum Jahre 1950. Ab diesem Zeitpunkt waren private Musikschulen in der DDR nicht mehr gestattet und mussten aufgelöst werden.
Ein großes Dankeschön gilt dem verstorbenen Edwin Kretzschmann, ohne dessen unermüdliche Nachforschungen die Geschichte und das Wappen der Neuhäuser vielleicht in Vergessenheit geraten wäre.
(Quelle: Edwin Kretzschmann/MZ)